Vega Enrique


4. bis 25. Juni 1988
Enrique Vega

Galerie Pro(s)art, Waldstätterstrasse 31

Zweifel im räumlichen Doppelspiel

Enrique Vega beweist, dass die Unentschiedenheit heilsam sein kann, dass die positiv besetzte Unentschlossenheit Früchte trägt. Der spanische Maler und Zeichner ist ein Liebhaber des Doppeldeutigen, ein Jongleur im zweckfreien Raum.


Wer sich von vordergründigen stilgeschichtlichen Einordnungsversuchen leiten lässt, wird seine abstrakten Landschaftsstudien und Interieurbilder zu Recht in der Tradition der informellen mediterranen Malerei situieren. Über die intuitiv-psychische Wahrnehmungsnotiz hinaus bringt Vega aber freilich gegenständliche Elemente in seine Bildwelten ein und wechselt für den Betrachter oft unerwartet vom Innenraum zum äusseren Landschaftsgefüge. Die Zweifel im räumlichen Doppelspiel sind allerdings gewollt, die Brisanz der Zeichnungen und Gemälde ist gerade in jenem Widerstreit zwischen “innen” und “aussen”, zwischen Beschaulichkeit und Aufbegehren, oder krasser formuliert, zwischen Intimität und Öffentlichkeit aufgehoben.
Als beinahe puristischer Anhänger der klassischen Malerei folgt der Madrider Künstler auch dem kleinsten Lichtschimmer und arbeitet sich mit Primärfarbmischungen Schicht für Schicht, behutsam an die dominanten Grün-, Braun- und Blautöne seiner Gemälde heran. Er misstraut dem trügerischen Effekt der Mischtechniken und der schmissigen Malweise, und tatsächlich präsentieren sich seine Gemälde und Zeichnungen in überraschender Einheitlichkeit, wie Varianten und Zeugnisse natürlichen Wachstums.
Wesenhaft-Figürliches bleibt beinahe ganz ausgespart aus den Bildern, da und dort scheinen freilich Torsi oder Gesichter auf, meist sind es aber architektonische Kleinelemente, Türen, Fenster und Gebrauchsgegenstände, die die räumliche Doppelaspektivität zusätzlich betonen.

Enrique Vega hat ein Austauschjahr in Zürich verbracht. Ohne Pathos und Sentimentalität hat er auch da als Gefährte der Einsamkeit der Kraft der Intimität vertraut. Der spanische Künstler weist zwar das Etikett von sich, leugnet aber gleichwohl die iberische Tradition nicht vollends. In Zürich hat er seine Bildwelten kontinuierlich weiterentwickelt, und sich vor dem Hintergrund der doppelbödigen kastillischen Erinnerung einer andern Doppeldeutigkeit ausgesetzt, jener des hermetischen helvetischen Konsens.
Conradin Wolf