17. Mai bis 28. Juni 2014
Garten-Kunst-Architektur II
Baselgia Mirko___Garten-Kunst-Architektur II
Gemeinsames Ausstellungsprojekt von sic! und o.T.
Die Ausstellungsreihe Garten-Kunst-Architektur, die 2012 startete, versucht anhand künstlerischer Interventionen das Themenfeld von Garten, Kunst und Architektur aus unterschiedlichen Perspektiven zu beleuchten, und zwar sowohl als konkrete Eingriffe in den das Gebäude umgebenden Aussenraum wie auch als künstlerische Reflexion über das Draussen und Drinnen, die Kreisläufe der Natur zwischen Werden und Vergehen. 2013 bespielten Dunja Herzog, Aurelio Kopainig und Barbara Signer den Kunstpavillon und Garten. Die Kunstschaffenden Mirko Baselgia und ganzblum (Martin Blum und Haimo Ganz) zeigen in der diesjährigen Ausstellung teilweise neue Arbeiten.
Mirko Baselgia
Ein Rindsschädel aus Marmor empfängt die Besucherinnen und Besucher an der Wand gegenüber dem Eingang. Mit seinen leeren Augenhöhlen scheint er die Betrachtenden direkt anzuschauen und erinnert an eine mit Stolz präsentierte Jagdtrophäe. In der Wahl des Materials findet eine veredelnde Transformation des Schädels statt. Die Eingriffe des Menschen, die dem Tier bei seinem Tod zugeführt sind sichtbar. Die Tatsache, dass das Tier in einem hoch technisierten Schlachtbetrieb getötet wurde und gegenüber seinem Jäger, in diesem Fall einem Metzger, chancenlos war, fährt die Assoziation der Trophäe ins Absurde.
Die Platzierung der skulpturalen Arbeiten in den Ausstellungsräumen folgt einer sorgfältig inszenierten Dramaturgie. Diese wird bestimmt von jenen gedanklichen Prozessen und übergeordneten Bedeutungsebenen, welche sich der Knstler in seinen Recherchen aneignet und zu einem weiten Referenzfeld verknüpft. Der Rindsschädel steht am Anfang des Rundgangs durch die Ausstellungsräume: Als ein visueller Sinneseindruck, ein Aug- und Anfangspunkt, von wo aus Mirko Baselgia den Blick in den Pavillon lenkt.
An der gegenüberliegenden Wand ist bereits ein zweiter Schwerpunkt – die Grundstruktur von Leben und Tod – angelegt: Die Zartheit der mit echtem Purpur eingefärbten Rohseide täuscht über die immensen Produktionsressourcen hinweg.
Die ambivalenten Beziehungen zwischen natürlicher und artifizieller Produktion, lebendigem und totem Material ziehen sich durch den ganzen Ausstellungsraum: Haben die Bienenkästen aus Nussbaumholz in einer vorhergegangenen Ausstellung noch drei Bienenvölker beherbergt, macht das Fehlen der bewohnenden Lebewesen die Kästen zu letzten Ruhestätten. Die aufrecht im Raum stehende Muschel verweist auf die Verwendung des Steins als Urmedium der Skulptur wie auch auf die Verwendung des Marmors in der Friedhofsarchitektur.
Im Westen des Raumes sitzt die Wandertaube George und sehnt sich nach seiner Gefährtin Martha. Ihre Ausrottung um die Jahrhundertwende wurde zum Symbol für den zerstörerischen Umgang des Menschen mit der Natur. Die letzte in Gefangenschaft gestorbene Wandertaube hiess Martha, benannt nach der US-amerikanischen First Lady Martha Washington. In dieser Arbeit bricht der Künstler die Assoziationen von Ende und Tod und lässt Raum für eine fiktive Liebesgeschichte entstehen. Das männliche Exponat, benannt nach dem Präsidenten-Gatten, hinterlässt die leise Hoffnung, dass das Paar die Art vor dem Aussterben hätte bewahren können.
Das Verhältnis von Mensch und Tier, das gesellschaftlich und kulturgeschichtlich von Besitzanspruch und ungleicher Abhängigkeit bestimmt ist, bildet einen zentralen Ausgangspunkt von Baselgias Arbeiten. Der Künstler reflektiert mögliche Umwertungen dieses Verhältnisses, indem er nicht nur intensive Zusammenarbeiten mit Handwerkern und Fachexpertinnen pflegt, sondern auch Tiere als kooperative Partner in seine Arbeitsweise einbindet. Er erachtet ihre Tätigkeit als aktiven gestalterischen Vorgang und spricht diesem eine autonome Rolle in seinen künstlerischen Produktionsprozessen zu.
Bereits in früheren Arbeiten hat er Bienen als Bild generierende Produzenten genutzt oder den von Murmeltieren erbauten Lebensraum als architektonische Ausgangslage in ein Objekt überführt. Das Murmeltier ist auch das Tier, das den neugierigen Künstler mit einer Kamera ausgerüstet in seinen Bau lockt. In den entstandenen Fotografien wird eine im Boden verborgene Struktur in ihrer Beschaffenheit sicht- und einsehbar.
Eine Analogie zu den unterirdischen Strukturen der Höhlenfotografien entsteht in der Arbeit „HAA – sozein ta phainomena“. Der Glanz des Kupfers sowie die grosszügig geformte Kurve, die von der Decke zur horizontal im Raum schwebenden Ebene aus feinen Stäben und Verzweigungen hinunterführt, haben eine verführerische und einnehmende Wirkung. Erst der Untertitel der Arbeit vermittelt die Information, dass es eine Nachbildung des Modells eines von der Nagra geplanten schweizerischen Tiefenlagers für radioaktive Abfälle ist. Im Massstab 1:2000 gefertigt, lässt es uns die Dimensionen des realen Lagers und die Ausmasse an produziertem Müll erahnen. Die Gegenüberstellung von organischem Lebensraum und Mälldeponie, künstlerischem Material und analytischer Methode zeugt exemplarisch von Baselgias verdichteten Arbeitsprozessen und Gedankengängen, die wiederum in klaren skulpturalen Setzungen in den Raum überführt werden.