Erb Barbara

6. bis 24. Mai 1986
Barbara Erb___

Waldstätterstrasse 31, Galerie Pro(s)art


 

6. bis 28. Mai 1988
Barbara Erb___

Waldstätterstrasse 31, Galerie Pro(s)art

Ein gewöhnliches, vielleicht bei der Sperrgutabfuhr gefundenes Sägeblatt verwandelt sich unversehens in ein Krokodil. Das objet trouvé, dieser leblose Gegenstand entpuppt sich als Abbild eines quasi lebendigen Wesens, wild und fremd an diesem Ort. Der unmit­telbare Erfahrungsraum des Betrachters wird durch diese Operatio­nen des Verwandelns und “Entfremdens” aufgebrochen, den Dingen widerfährt eine unheimliche Metamorphose. Diese Strategien der mehrfachen Verfremdung und Brechung sind charakteristisch für die Arbeiten von Barbara Erb. Der Künstlerin gelingt es, durch präzise Manipulationen unsere eingefahrenen Sehweisen zu zersetzen und gleichzeitig zu einer eigenen persönlichen, sogar intimen Bildwelt zu gelangen, jenseits von den von Medien okkupierten Bildern. Die Objekte, die solchen Operationen unterzogen werden, sind bewusst ausgewählt und stammen oft aus unserer unmittelbaren Umgebung.


So verwandelte Barbara Erb in ihrer letzten Ausstellung in der Galerie Pro(s)art die Ausstellungsräume in eine Wohnung mithin deren ursprüngliche Funktion. Ihre Bilder und Objekte nahmen (und nehmen immer noch) direkt Bezug auf die Wohnsituation: Ein Ofen-Objekt, eine Arbeit, die einen Bauernschrank “darstellte” mit dem Titel “Bauernkrank” oder das als Türe in die Raumflucht gesetzte Materialbild “Nein”, das, der Titel deutet es bereits an, den Durchgang verweigerte. Diese “Einrichtungsgegenstände” erweisen sich als heimtückisch, die erwartete Behaglichkeit der “guten Stube” wird durchbrochen. Die Wohnstube als Chiffre für den Lebensraum wird durchsetzt mit Falltüren, durch die man urplötzlich aus dem Bekannten ins Ungewisse zu stürzen droht: “Drin oder draussen? Rastet die Zimmertür eine Frage in mich” (B. Erb).
So kommt in den Arbeiten der Künstlerin immer wieder ein akuter Zweifel am Erscheinungsbild der Wirklichkeit zum Ausdruck. Dieses So-Sein der Welt zu hinterfragen, dazu dienen auch die poetischen Werktitel, die den Arbeiten oft eine zusätzliche Dimension der Verfremdung, eine weitere Referenzebene verleihen. Der volle Titel der Sägeblatt-Arbeit lautet denn auch “Albino-Krokodil (baumtötend)”. Der Werktitel vermittelt somit zwischen dem ursprünglichen Gebrauchsgegenstand und dem neu entstandenen Bild und belässt dadurch beide sozusagen “in der Schwebe”. Diese Art des Fabulierens, der Suche nach privaten Bildwelten und des gleichzeitigen poetischen Ironisierens derselben macht die Faszination der Arbeiten von Barbara Erb aus. Die Künstlerin zwingt uns zu einem Blick durch das Mikroskop, um auf Paul Klees Äusserung zurückzukommen, die uns neue Welten, Welten hinter den Erscheinungen zu offenbaren vermag. Dazu leistet Barbara Erb mit ihren Werken die “Seh-Hilfe”.

 
Konrad Bitterli