Naegelin Barbara

27. Oktober bis 26. November 2016
Barbara Naegelin___Zerstreuung

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Manche Sachen sehen aus, als wären sie da, um sich auf einen unsinnigen, einen ironischen oder auch ganz kommunen Namen taufen zu lassen. “Der Ventilator im schönsten Kleid” gehört dazu, „Die Gruppe“ oder: “Der erbärmliche Rettungsring”. Dieser umfasst eine gebogene Schaumstoffleiste – als wollte er zeigen, dass auch rohe Weiden das Zeug haben für gesockelte Kunst. Andere verformen, was wir im Wortlaut zu kennen meinten und umschmeicheln das Selbstverständnis von Bastel-, Hobby- und Haushaltsgegenständen mit einem Hauch des Absurden.

Die Kombinatorik der Materialien und Dinge, die voller Lust am Erzählen ein surreales Vokabular aufrufen, entspringen Augenblicken des Halbbewussten. Der kurze Übergang zwischen Wachen und Schlafen etwa entlässt Bilder aus der Erinnerung, ohne sie funktional festzuzurren oder in einem System von Bewertungen voreilig zu verwerfen. Barbara Naegelin selbst sah sich im Spiel mit den Dingen an die unzensierte „Ecriture automatique“ erinnert; sie habe an Meret Oppenheim gedacht und an Erwin Wurm. Auch Fischli & Weiss sind nicht weit. Wo das gezielte Suchen aussetzt und einem assoziativen Denkraum Platz macht, hat sie angefangen. Manche Bilder seien einfach so aufgetaucht.

Wie eine feinstoffliche Handlungsanweisung hat sie sie aufgenommen, um ins Material zu gehen – oder ist umgekehrt ins Material gegangen, um jenen absichtslosen Zustand hervorzurufen und in der Gegenständlichkeit ihre Fragen anzusiedeln: Ob nicht das weit verbreitete Heckengrün der Thuja statt Sichtschutz und Gartenhag auch Fenster und Öffnung sein kann? Ob, wenn die Kerzenspiralen knicken, das Heftpflaster sie in rosa Finger verwandle? Das Körperliche bleibt nahe: Stoffherz, Schafhaar, Handschuhe; Vogelfeder, tote Fliegen, Hüftknochen im Röntgenbild.

Es gab – durchaus als Korrektur und Ausgleich zur Arbeit, die Barbara Naegelin täglich über Stunden an den Bildschirm fesselt, eine Lust am Taktilen und eine Dringlichkeit, Dinge in die Hand zu nehmen. Der Rohstoff ihrer Assemblagen lagerte grösstenteils schon lange im Atelier. Er stammt aus Brockenstuben oder aus der frühen Ausstattung der elterlichen Wohnung. Ein bisschen Nostalgie und viel Nonchalance machen den haptischen Zugriff auf die Assoziationen der Dinge möglich. Doch die Installation trüge nicht wirklich die Signatur von Barbara Naegelin, wenn nicht eine Tonspur (hier: in sechs Kanälen) einzelnen Körpern einen teils übergeordneten, teils individuellen Puls mitgäbe. Fragen wir nicht, was es bedeutet, so viele Charaktere angemessen und diskret zu vertonen.

Die Zeichnungen, die in den ausgedienten Schallplattenständer eingereiht sind, können wir nehmen, wie wir möchten: Als Alternative zu diesem Saaltext, als Dokumentation oder als Entwürfe, die der Umsetzung wie Halluzinationen vorausgegangen sein könnten. So oder so lenken sie rückseitig zu jener Sprache, der Barbara Naegelin zu ihrer offenen, möglicherweise nicht mehr endenden Arbeitsform motivierte: „Bei Regen im Saal“ (2014) heisst das Buch, das noch der banalsten Situation eine emotionale Entzündlichkeit nachweist. Wilhelm Genazino Naegelins Alter Ego, das den äusseren Anschein mit einer inneren Gestimmtheit verkuppelt. „Wieder hatte ich das Gefühl, dass sich die Wirklichkeit zu stark an mir verausgabte.“ (Text von Isabel Zürcher)

 

23. September bis 15. Oktober 2006
Naegelin Barbara___Meine Chinesin

Iris Beatrice Baumann, Monika Dillier, Martina Gmür, Fränzi Madörin, Muda Mathis, Barbara Naegelin, Chris Regn, Andrea Saemann, Maria Magdalena Z’Graggen, Sus Zwick

Seit 1998 beschäftigt sich eine lose Gruppe von Künstlerinnen, Vermittlerinnen und Theoretikerinnen mit künstlerischen Strategien. Dabei sind reflexive und kunstkritische Fragen genauso von Bedeutung wie gemeinsame Projekte. Die Welt – insbesondere die gemeinsame – muss täglich neu erfunden werden, ganz im Sinne von relax (Chiarenza/Hauser&Co): „Allein denken ist kriminell. Bildet Banden.“ Vieles ist in der bald 10-jährigen Zusammenarbeit entstanden, einiges davon auch für die Öffentlichkeit sichtbar:
1998 führte dies zur Drucklegung vom „1. Manifest für grosse und angesehene Künstlerinnen“, 1999 zur Realisation des „internationalen Kongresses für künstlerische Strategien“, 2004 zur Aufnahme der „Tischgespräche“, lose, monatliche Fachgespräche unter Kunstschaffenden, welche mitunter zu künstlerischen Eingriffen, Initiativen und performativen Ereignissen führten wie „Songs“, Basel, „Meisterwerke“, Hamburg oder „Hausgeschichten“, Basel.


Im o.T. Raum für aktuelle Kunst in Luzern präsentiert sich die Gruppe einer interessierten Öffentlichkeit das erste Mal in einer gemeinsamen Ausstellung.

Die Mitglieder der Gruppe nutzen die Einladung, um im Ausstellungsraum ihre eigenen Arbeiten zu präsentieren. Gleichzeitig planen sie aber, ihre unterschiedlichen Positionen in der Ausstellung mittels einer multimedialen Show miteinander in Verbindung zu bringen und Zusammenhänge untereinander sichtbar werden zu lassen. Dabei suchen die Künstlerinnen nicht das Spektakel, sondern eine subtile Darstellung von Abläufen, heimlichen Verwandtschaften, überraschenden Konfrontationen. Die Ausstellung ist angelegt als empirisches Nachdenken über das Format der Gruppenausstellung, als experimentelle und unterhaltende Suche nach dem Ort des Einzelnen im Zusammenhang.

www.braingarden.ch