23. März bis 22. April 2017
Cosimo Gritsch ____Acryl auf Baumwolle
Man könnte Cosimo Gritsch für altmodisch halten. Und vielleicht würde er sich nicht einmal dagegen wehren. Denn vieles, was er malt, haben wir schon gesehen. So oder ähnlich. Da gabs die Landschaften aus dem Aargauer Seetal: Fahrbahn ausserorts, Sonnenuntergang hinter Hügeln, eine Dorfmitte ohne Auffälligkeit und unscharf genug, um für irgendeine Ortschaft zu stehen. Die Bahngeleise mahnen an den älteren Kollegen Jean-Fréderic Schnyder, auch wenn dieser sein Schweiz-Porträt systematischer als Sammlung von Autobahnabschnitten und Baustellen angelegt hatte. Herangezoomte Oberflächen: „Quickbag“ streift die Aufschrift auf einem gewellten Plastiksack. Als wollte sich da einer vergewissern, dass es das alles (noch) gibt und ein Stück sei von Heimat und Identität. Ein Blutbild – so gross, dass es zum bunten Raster erstarrt und seine bedrohlichen Varianten in einen Kissenbezug der 1960er-Jahre eingehen – auch das gibt es bei Cosimo Gritsch, und man denkt bei sich: Alles soweit gut hier, man kann noch malen, und es gibt noch die Stoffe und Aussichten, mit denen wir gross geworden sind und die, die analoge Welt beisammen halten.
Um Raffinesse geht es nicht in dieser Malerei, vielmehr um den Freiraum, der sich über Erwartungen an Bilder hinwegsetzt. Manches sieht aus, als wärs nicht ganz zu Ende gemalt – wenigstens nicht mit Absicht dorthin getrimmt, wo es ein Ideal erreicht: Die Sexyness von Frau und Auto hat man uns schon schärfer aufs Auge gedrückt. Das fotorealistische Begehren begnügt sich mit dem halben Weg und lässt Handschrift stehen. „Das Problem ist nur: das Handgemachte hat seine Unschuld verloren.“[1] So ist das nun und es gibt kein Zurück: Man kann sich an Malerei kaum mehr verschulden. Man kann sie sich aneignen, Plagiate machen, in die Rolle des Action Painters schlüpfen oder den Plakatmaler und Grafiker mimen. Man kann Pop sein mit der Gitarre, die sich zwischen Farbfeldern verbirgt, und Postimpressionist, und gleichzeitig dem Comic zugetan. Nichts ist Verrat dabei. Ironisch, verzweifelt oder mit subtilem Narzissmus kann man sich selbst zitieren oder einen anderen. Und wenn das manchmal naiv aussieht – Cosimo Gritsch ist es nicht. Er zergliedert die Möglichkeiten seines Mediums und unterwandert die Autorschaft seiner Bilder in Anlehnung an Bestehendes. Was er zu sich nimmt, kann er gelten lassen oder verwerfen. Originalität sitzt nicht mehr an den Oberflächen der Leinwand, sondern im Echoraum der Geschichte von Malerei. Die in seinem Fall (soll man’s sagen? oder eben auf keinen Fall?) auch Erbgeschichte ist. Denn die Kunst des Vaters und der Mutter – Malerei notabene – war schon da, als der Sohn den Pinsel in den Farbtopf senkte. Wobei man den Jungen, der hinaus und zum Himmel blickt, sofort ins Herz schliesst.
[1] Marie-Louise Lienhard, in: Cosimo Gritsch, Bd. 3 der monografischen Publikation bei edition fink, Zürich 2013.