Wyrsch Philipp

30. Mai bis 6. Juli 2019

Philipp Wyrsch___52.52149° N 13.3874° E

Die Koordinaten, aus denen sich der Titel der Ausstellung speist, verweisen darauf, dass es in den ausgestellten Arbeiten von Philipp Wyrsch um ein physisches Verorten im Raum, das Einnehmen eines Standpunktes, einer Blickrichtung und den Vollzug einer Wegführung geht. Wie ein roter Faden zieht sich das Thema von ‘Raum’ durch das Schaffen von Philipp Wyrsch – ob in Form eines sozialen, architektonischen oder imaginären Raums, als physischen Körper, fragiles Liniengebilde oder als Sediment aus Farbe und Textur – erzeugt mit den Mitteln von Malerei, Fotografie und Tapisserie. In der vorliegenden, vom Künstler selbst als “Farbrauminstallation” bezeichneten Arbeit verdichten sich verschiedene der genannten Aspekte. Die 21 bemalten A3-Blätter an der Wand sind im Zürcher Atelier des Künstlers entstanden und bilden den Abschluss eines längeren Projekts, das im Rahmen seines letztjährigen Innerschweizer Atelierstipendiums in Berlin förmlich ‘Fahrt aufgenommen hat’. Damals entschied er sich – ausgerüstet mit Zeichenblock und Kamera – den urbanen Raum Berlins auf dem Wasserweg zu erkunden und in Bildern festzuhalten. Jede der einundzwanzig “Stern- und Kreisschifffahrten” hatte er mitgemacht; die Kamera stets zur Hand, das Notizbuch auf den Knien. Den Blick vorwärts gerichtet zeichnete er, was sich seinem Blick auf den insgesamt 280 Kilometern Kanalstrasse anerbot. In schnellen Strichen umriss er die Eigenart von Architektur und Landschaft – von der Schweizer Botschaft bis zur Potsdamer Baumlandschaft. Christoph Kolumbus‘ Logbuch, das dieser 1492 bei seiner ersten Amerikafahrt verfasste im Hinterkopf, hat in den Zeichnungen von Wyrsch seine eigene Form der Aufzeichnung gefunden. Beim Papier entschied sich der Künstler für Deutsches Postpaketpapier, welches er in gleichgrosse Rechtecke riss. Wyrsch, der grössten Wert auf die Oberflächenstruktur, Haptik und das Verhalten seiner Materialien legt, erkannte im Paketpapier, das täglich die Welt umkreist, das Moment der Bewegung. Ein Aspekt, der zu seinem Freiluftprojekt passt. Wenngleich schemenhaft reduziert, so zeigen sich die Tuschezeichnungen zu Beginn noch figurativ. Anders in den darauffolgenden Serien Block A bis K oder Mein Cäpten und ich (2018): Hier haben sich die Linien von ihrem Gegenstand befreit und formieren sich in schwungvollem Duktus, fast malerisch zu abstrakten, imaginären Bildräumen.


Im lichtdurchfluteten Saal des o. T. Raums führt Philipp Wyrsch die Berliner Bildidee nun fort. Die 21 zum Block gehängten Zeichnungen sind eine numerische Anspielung auf die 21 Schifffahrten. Erneut bedient sich Wyrsch dem Deutschen Postpackpapier. Nun allerdings verwendet er das standardisierte, unbeschnittene Bogenmass von 70 x 100 cm. Neu wird das pure Sephia/Schwarz von einem Silberton und einem fast giftig anmutenden Nikeltitangelb begleitet. Die Farben legen sich in Spuren über- und ineinander, wobei die Reihenfolge, in der die Farben geschichtet werden, den Ton und Glanz, die Leucht- und Saugkraft der einzelnen Farben sichtbar verändert. In grosszügigen Gesten und Bahnen wird der Pinsel immerfort vom Bildrand her zur Mitte geführt. Die entstandenen Überschneidungen evozieren Flächen, Durchblicke und räumliche Tiefen.

Raumgreifend wird Philipp Wyrsch in der gegenüberliegenden Wandmalerei. Eine breite, scheinbar frei geführte Linie zieht sich über die gesamte Stirnwand und ergiesst sich letztlich in einem ausladenden Bogen auf den Boden. Anders als bei den Papierarbeiten handelt es sich nicht um Linienfragmente, sondern um eine scheinbar in einem Zug vollführte Zeichnung. Tatsächlich ist sie jedoch in kurzen Abschnitten erfolgt. Die konzentrierte und kraftvoll ausgeführte Malweise erforderte vom Künstler ein zwischenzeitliches Innehalten, Durchatmen und Abstandnehmen, um dann an beendeter Stelle wieder fortzusetzen. In diesem Punkt mögen wir uns an Philipp Wyrschs Tapetenarbeiten erinnert fühlen, für welche er Tapisserien in Stücke schneidet, um sie hernach zu neuen oder verschobenen Mustern zu legen. Dabei kommt es jedoch nie zur Überlappung; stets fügt sich Naht an Naht.

Philipp Wyrsch schafft mit seiner Präsentation einen mehrschichtigen Raum, indem befreite Gesten auf präzise Überlegungen und fein abgestimmte Pigmente und Bildträger treffen. Achtsam segeln wir mit unserem Blick über die gemalten Wellen und werden unserer eigenen Präsenz im Raum gewahr.

Julia Schallberger

Philipp Wyrsch


13. September bis 11. Oktober 2009

Philipp Wyrsch___Tapetenfenster

Eichwaldstrasse 27a

Eigens für den kleinen Raum von o.T. hat Philipp Wyrsch eine orts- und raumspezifische Arbeit realisiert, bei der sich der Künstler mit dem architektonischen Raum und dessen Wahrnehmung auseinandersetzt. Dabei gilt sein Interesse, Sichtweisen zu öffnen, die den Raum neu erfahrbar machen, durch gezielte Eingriffe, Veränderungen oder Manipulationen. «Tapetenfenster», eine imaginäre Intervention in den Raum, verschafft den BesucherInnen Ausblicke in die Landschaft nach draussen mit ungewohnten Perspektiven, die dem wirklichen Standort nicht entsprechen. Die im Raum integrierten Tapetenbilder öffnen einerseits den Raum nach draussen, suggerieren einen Eingriff in die bestehnde Architektur und verändern die räumliche Wahrnehmung, andererseits sind die fotografischen Tapetendrucke auf den stark strukturierten Papieren als grosse Wandmalerei lesbar, was eine atmosphärische Wirkung erzeugt und gleichzeitig irritiert.


22. August bis 13. September 1998

3 x Wyrsch___mit Philipp Wyrsch, Charles
Wyrsch, Johann Melchior Wyrsch

Eichwaldstrasse 27a, Raum für aktuelle Kunst Prosart

Johann Melchior Wyrsch (1732–1798), Charles Wyrsch (1920–2019) und Philipp Wyrsch (*1959): Das Buochser Geschlecht hat bis in die Gegenwart eine Reihe von wichtigen Innerschweizer Künstlern hervorgebracht. Der älteste, der berühmte Porträtmaler Johann Melchior Wyrsch, verstarb vor genau zweihundert Jahren. Sein Schaffen wird zeitgleich in einer breit angelegten Ausstellung im Nidwaldner Museum in Stans aufgearbeitet und präsentiert. Charles Wyrsch, einer der bedeutendsten Innerschweizer Künstler seiner Generation, greift die Porträttradition seines Vorfahren auf und transformiert sie ins Existentielle, während der jüngste, Philipp Wyrsch, in der Austauschbarkeit des Figürlichen eine entsprechende zeitgenössische Form findet.
Das von Philipp Wyrsch kuratierte Ausstellungsprojekt durchbricht die Reihe monographischer Präsentationen zeitgenössischer Kunstschaffender und versucht, einen bildnerischen Diskurs zwischen Generationen und Positionen zu inszenieren.


Philipp Wyrsch

Charles Wyrsch

Johann Melchior Wyrsch

Neue Luzerner Zeitung / Kultur / Niklaus Oberholzer
22.8.1998

«Johann Melchior, Charles und Philipp Wyrsch
Drei Künstlern mit Namen Wyrsch ist im Raum der Prosart Galerie zu begegnen dem 1798 in Buochs verstorbenen Johann Melchior, dem 1920 geborenen, in Kriens wohnenden Charles und dem jungen, in Zürich lebenden Maler Philipp Wyrsch.

NO. Sie alle sind Nidwaldner, und sie alle gehören zur gleichen Sippe: Johann Melchior ist ein Ururgrossonkel von Charles Wyrsch, der ein Onkel Philipp Wyrschs ist. Haben sich damit die Gemeinsamkeiten bereits erschöpft und ist der Rest die Zufälligkeit des Namens? Jedenfalls ist die Ausstellung eine sympathische Angelegenheit und vielleicht mehr als eine Familiensache über die Generationen hinweg: Sie macht drei sehr verschiedene, aber in sich schlüssige künstlerische Positionen deutlich.
Johann Melchior ist noch bis 11. Oktober in der grossen Ausstellung in Stansstad zu begegnen. In der Galerie Prosart ist er mit drei Porträts von Nidwaldnern vertreten – keine Spitzenwerke, sondern solider Durchschnitt und Zeugnis für ein künstlerisches Handwerk, das es nicht mehr gibt, für die im Auftrag und je nach finanzieller Potenz des Abgebildeten eben bessere oder schlechtere Bildnismalerei.

Porträts in Serien
An der Wand gegenüber zeigt Charles Wyrsch ebenfalls Porträts. Es sind zwei übereinander präsentierte Serien von Kohlezeichnungen – unten Bildnisse seiner eigenen Frau, oben Porträts Cristinas, eines brasilianischen Modells. Das Serienporträt, das den Eindruck eines Filmes erweckt und innerhalb der Reihe eine ganz grosse Bandbreite von Emotionen – des Modells, aber auch des Künstlers selber – sichtbar macht: Das ist eine Art künstlerischer Arbeit, die für den Maler des ausgehenden 18. Jahrhunderts absolut unvorstellbar gewesen wäre, für Charles Wyrsch aber das «Normale» dastellt.

Der Reichtum an Variationen und damit an Spuren des Lebens innerhalb der beiden Serien ist gross. Cristina präsentiert sich selbstbewusst, aufbegehrend, hellwach und vital-zupackend, dann wieder traurig oder gar entsetzt. In den zehn von intensiven Lebensspuren geprägten Porträtzeichnungen seiner Frau thematisiert Charles Wyrsch eher die Ruhe, das Sichzurückziehen, die Müdigkeit und das Älterwerden.

Licht und Farbe
Philipp Wyrsch wiederum gibt Einblick in eine Arbeitsweise, die zu Charles Wyrsch niemals passen würde. Er verzichtet auf Gegenständlichkeit, auf Bildfindungen, überhaupt auf Malerei im klassischen Sinn. Vielmehr nimmt er karge und fast asketische, aber doch nachhaltige Eingriffe in die Raumsituation vor. Er laugte an den Seitenwänden Schichten von Putz und Malerei ab und fügte neue Schichten aus leicht fluoreszierendem, mit einem flüssigen Kunst- harz gebundenen Pigment auf die leeren Stellen. Links zieht sich ein derart gestaltetes schmales Band über die Wand, rechts ist ein vom Boden bis zur Decke reichendes Mittelstück mit solchen Schichten versehen, die bläulich schimmern und je nach Lichteinfall einen ganz anderen Charakter annehmen. Das wenige wird zur reichen, perlmutterartig schillernden Erfahrung von Licht und Farbe.»


1. Oktober bis 21. Oktober 1989

Philipp Wyrsch___hecho en Madrid

Waldstätterstrasse 31, Galerie Pro(s)art


11. Juli. bis 2. August 1986
Philipp Wyrsch___

Waldstätterstrasse 31, Galerie Pro(s)art