3. März bis 31. März 2012
Bischof Beni___Flippy-Shop
Beni Bischof, geboren 1976 in Widnau, lebt und arbeitet in St. Gallen und ist einer der umtriebigsten und produktivsten Künstler der jüngeren Generation in der Schweiz. Davon zeugen nicht nur seine zahlreichen Ausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen. Sein Schaffen scheint von ansteckender Euphorie getragen, von Neugier und grossem Schaffensdrang getrieben. Obwohl das Fundament seines Schaffens in der Zeichnung besteht, arbeitet er mit unbändiger Lust an unterschiedlichen Themen in wechselnden Medien: So entstehen witzige Fotocollagen oder klein- und mittelformatige Gemälde. Letztere zeichneten sich in den vergangenen Jahren durch eine konzeptuelle Strenge sowie eine bewusste Beschränkung der Palette auf Schwarz-Weiss-Töne aus. Trotz der Verwendung der Grisaille-Technik überraschen seine Bilder durch ein reiches Spektrum malerischer Valeurs und unterschiedlichster formaler Strukturen. Dabei verweisen seine „Köpfe“ aus der Serie Ultra Deep Field (2009) motivisch nicht nur auf die kunsthistorische Tradition der Porträtmalerei, sondern zugleich auch auf Figuren aus der Welt der Fantasy- und Science-Fiction-Filme und damit letztlich auf eine vom Kino und von den neuen Medien geprägten Bildwelt, wie sie für die zeitgenössische Malerei charakteristisch ist. In den aktuellen Bildern ist Beni Bischof indes zu einer zuweilen zarten Farbigkeit zurückgekehrt.
In Beni Bischofs Schaffen bilden Transformationstechniken, Montage und Assoziationsverfahren einen zentralen Ausgangspunkt. Oftmals angeregt von Bildern aus seinem persönlichen Archiv oder gezielt zusammengetragenen Materialien und Bildern aus dem World Wide Web, realisiert er merkwürdig fremde Umsetzungen, die das So-Sein dieser Welt ins Groteske wenden und in ihrer kompromisslosen Subjektivität beeindrucken. Klischees werden aufgebrochen, Bekanntes verwandelt sich in Fremdes, Epochen geraten durcheinander. Das zeigt sich deutlich in der Buchedition, die Beni Bischof mit Bildern aus dem Internet geschaffen hat. Scheinbar wahllos aneinandergereiht, offenbaren sie die Allmacht der weltumspannenden Bilder- und Datenströme. Oder um es wie Beni Bischof zu formulieren, präsentiert sich die Edition „als ultimativer Mix auf knapp 700 Seiten: Überdosis total“.
In der Ausstellung ausgelegt, werden die zwanzig Bücher zum Buchstapel und damit selbst zur Skulptur. Genauso wie die grossformatige Tonskulptur, die der Künstler ins Zentrum seiner Präsentation rückt. Im Gegensatz zu einer traditionellen, mit den Händen geformten Plastik ist der beinahe lebensgrosse Wulst gewissermassen ohne direkte Berührung durch den Künstler entstanden. Beni Bischof hat aus grossen Tonklötzen einzelne kleinteilige Elemente geformt und diese zur Skulptur zusammengefügt – und zwar werfenderweise, ohne Berührung des skulpturalen Gesamtkörpers!
Immer wieder unterläuft Beni Bischof die Erwartungen der Gattungen und Materialien. Genauso unverfroren wildert er durch allerlei Bildwelten, so auch in seiner durch eine Trennwand separierte Zelle im Ausstellungsraum. Diese präsentiert sich allerdings keineswegs als neutraler White Cube, sondern auch hier herrscht „Überdosis total“ oder „eine Art Storage wie an einer Messe, Art Hinterraum, mit restlichen Arbeiten, die ich zwar mitgenommen, aber nicht wirklich ausgestellt habe“, auch eine Art Unterbruch vom Ausstellungsraum. Zuweilen wÄhnt man sich bei Beni Bischofs Bildern, Fotos oder Zitaten an mittelal-terliche, mystisch alchemistische Illustrationen erinnert, ein andermal rockt man wie Besessene durch die Gegenwart. Einmal entzieht sich die Malerei der Lesbarkeit und lässt den Betrachter in surrealen Welten wandeln, ein andermal erzählt er alltägliche Geschichten, die in ihrer Banalität irritieren. In immer neuen Bildfindungen tauchen Versatzstücke aus seinem eigenwilligen Universum auf und katapultieren uns schwerelos durch Raum und Zeit.
Flippy-Shop – der Titel seiner Ausstellung bezieht sich konkret auf den bekannten Geschenkartikel-Shop, ein Sammelsurium von nützlichen wie nutzlosen Dingen. Er lässt im Titel auch jene Haltung des vermeintlich Ausgeflippten anklingen, wie er als Schimpfwort für das Ungewöhnliche und Nonkonforme verwendet wurde. Beni Bischof bearbeitet indes den ganz normalen, alltäglichen visuellen Wahnsinn: In seinem Flippy-Shop hält der Künstler der Welt einen wunder(über)vollen (Zerr-)Spiegel vor.