8. September bis 12. Oktober 2008
Maurer Alexandra___swim im ring
„emerging artists 06“ lautete der Titel einer Ausstellungsreihe in der Sammlung Essl in Klosterneuburg bei Wien. Mit dabei im Teil „Schweiz“ war auch die 1978 in St.Gallen geborene und heute in Genf lebende Künstlerin Alexandra Maurer. Aufgefallen ist sie in den vergangenen Jahren mit ihren „peintures animées“, d.h. mit animierten Videoarbeiten wie „la chute“ oder „muro“, in denen verschiedene künstlerische Medien eine visuell überraschende und intelligente Synthese eingehen: Tanzperformance, Malerei und Video. Zusammen mit Tänzern oder Schauspielern entwickelt sie kurze Performances – so versucht zum Beispiel eine junge Frau sich in einer Badewanne aufzurichten. Diese kurzen Szenen werden in einem ersten Arbeitsschritt auf Video aufgenommen. Anschliessend übersetzt die Künstlerin die Filmbilder in dutzende von Blättern in freier, beinahe gestischer Acrylmalerei. Zusammen mit der originalen Filmfootage werden diese Papierarbeiten in einem nächsten Schritt neu montiert und erneut abgefilmt. Damit entsteht eine Videoarbeit aus übermalten Einzelbildern und kurzen Filmschnitten. Die Performance scheint im Bild gebannt, während die statische Malerei gleichsam in Bewegung gerät. In Alexandra Maurers künstlerischem Ansatz reflektieren sich die Medien indes nicht nur gegenseitig, ihr Schaffen zielt auf das Körperliche, seine Begrenzungen und Energien. So lässt sie in „muros“ in zwei separaten Grossprojektionen zwei Figuren heftig gegen eine trennende Wand anrennen, während in „la chute“ das Hinfallen und Wiederaufrichten im permanenten Loop des Videos zu einem Sinnbild fürs Scheitern schlechthin wird. Das Schaffen von Alexandra Maurer, einer der spannendsten jungen Videokünstlerinnen der Schweiz, ist erstmals in der Einzelausstellung swim im ring in Luzern zu sehen.
„Im Ring“ ist ein Kunstprojekt, das die Medien Film, Malerei, „peinture animée“ und Tonkomposition miteinander verknüpft. Es ist ein Ringen um einen gemeinsamen Ausdruck, der sich durch die Konfrontation der Kunstschaffenden und Vereinigung ihrer Arbeiten findet. Ausgangspunkt und Quelle der Inspiration ist die Stadt Berlin, in der wir uns begegnet sind und zusammen dieses Projekt entwickelt haben.
Es geht um das Ringen mit anderen Menschen, um andere Menschen, gegen andere Menschen in einer Stadt, die ganz unterschiedliche bis auch widersprüchliche Facetten aufweist. Berlin ist einerseits die Grossstadt mit einer interessanten, inspirierenden Kultur- und Kunstszene, eine lebendige, multikulturelle und bewegte Stadt, in die man sich gerne hineinprojiziert, wenn einem in der Schweiz alles zu klein und zu eng wird. Und gleichzeitig ist es auch die Stadt, die eine schmerzvolle Geschichte in sich birgt: Berlin das Herzen der Zerstörung, der Trauer und der Hoffnungslosigkeit. Die Animationsbilder zeigen eine junge, dynamische Boxerin. Die junge Frau teilt Boxschläge aus, ihre Bewegungen sind Angriffe, sie kämpft, ringt sich durch. Ihre durch die Animation abstrahierten Bewegungen werden durch die gefilmten Sequenzen in einen konkreten, sich verändernden Kontext gestellt Der Kontext ist der Dschungel der fremden Grossstadt, in der sich das Subjekt, der Betrachter, seinen Weg sucht. Die Boxerin ist Angreiferin, aber auch Verliererin. Wild schlägt sie um sich, verliert dabei das Gleichgewicht, fängt sich wieder auf, um sich von neuem durchzuboxen. Ihre Bewegungen werden in bewegte Malerei, „peinture animée“, umgesetzt, die die Wahrnehmung der Bewegungen in zeitlicher und rhythmischer Abfolge verfremdet. Der Filmteil inspiriert sich in und um die U-Bahnstationen: Nachtstimmungen, leere Plätze, lange Gänge und Passagen. Der Betrachter steht alleine und verloren in einer leeren U-Bahnunterführung, dann kämpft er sich durch eine Menschenmenge. Der visuelle Ablauf variiert zwischen Animations- und Filmsequenzen, die sich in einem bestimmten Rhythmus ablösen und ineinander übergehen. Der Ton hat die Funktion die beiden Elemente Film und Animation miteinander zu verknüpfen. Die Musikgrundlage bildet das Stück “Largo con delicatezza“ vom Duo ige timer Klaus Janek, Kontrabass, und Simon Berz, DIY-Elektronik. Simon Berz arrangiert und ergänzt die Klänge mit eigenen Kompositionen. Die Tonebene hat nicht die Funktion, eine Situation naturalistisch wiederzugeben. Die Tonebene zeichnet einen seelischen, athmosphärischen Zustand.
Eine kollektive Reflexion über das Ringen mit den Menschen, die das Leben grausam und unerträglich, aber auch lebenswert und wunderbar machen.
www.alexandra-maurer.ch