Fedele di Catrano Marco

12. März bis 30. April 2016
Marco Fedele di Catrano___related acts in unrelated events

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Wer sich genau umsieht, wird seine Naivität einbüssen. Der kann nicht mehr zurück. Wenigstens nicht guten Gewissens. Der will die Dinge beim Namen nennen. Der sieht Ballone im Wind und weiss, dass der bunte Wegweiser zum Fest nebenan jederzeit platzen kann. Der sieht Eternit und wundert sich – noch einmal – dass der Prozess um den Schweizer Unternehmer Stephan Schmidheiny für ihn zuletzt so glimpflich ausgegangen ist. Der wird auch den Verdacht nicht los, dass noch der kritischste Gegenwartsbezug Gefahr läuft, sich an die Herrschaft des Kapitalismus zu verraten. Denn auch der White Cube ist kein unbefleckter Raum. Und es gibt kein Ding in dieser Welt, das nicht von einem Schatten ökologischer oder humaner Katastrophen eingeholt wäre. Darum hat alles Reale einen doppelten Boden. Und darum sagt Marco Fedele di Catrano, er sei nur Beobachter und die Kunst sein Papagei. “Wenn graue Flächen nicht reden, dann darf ein Papagei nicht schweigen.”

An der Wand lehnen Faserzementplatten. Wir stehen – wissentlich oder unwissentlich – einem Fragment jener Industriegeschichte gegenüber, die zwischen globalem Erfolg und internationaler Fahndung oszilliert. Unwissentlich: Die „objets trouvés“ sind grau und an den Ecken so perforiert, sodass eine Schraube sie an die Fassade des o.T. halten konnte. Wir sehen Bilder, patiniert von der Witterung, zur Ansicht freigestellt und auf ihre rohe Weise ganz schön. Wissentlich sind wir beim Eternit, beim Asbest damit auch und bei der Frage, ob wir diese Kunst unbeschadet überstehen. Wie sich ein Künstler Bilder zueigen macht, die frei sind von Ideologie, aber auch vom faden Triumph derer, die alles besser wissen. Wie die Komplizenschaft heute funktionieren kann zwischen Aufklärung und Wahrnehmung.
Vielleicht so: Arthur Rubinstein spielt Chopins “Andante Spianato und Grande Polonaise Brillante Op. 22 für Klavier und Orchester”. Wir dringen akustisch vor in eine Herzregion der abendländischen Musikgeschichte. Die schlanke Hand der Tänzerin Gabi Glinz bremst den Fortlauf der Schallplatte, drängt Orchester und Solist einen eigenen Rhythmus auf. Die Hand ist ein Störefried. Kann einer, der sich einmischt, kein Störefried sein? Wer sagt, wann Mitspiel gut und wo böse sei? Stefan Schmidheiny spielt auch Klavier. Vielleicht Chopin. (Text von Isabel Zürcher)