Mokhtar Noha

7. Juni bis 7. Juli 2018
Noha Mokhtar___La pensée sauvage

in Zusammenarbeit mit Fresco/Soult, Gregor Huber, Kaspar Huber und Lucas Uhlmann

La pensée sauvage (Das wilde Denken) – so lautet der Titel eines Buchs des Anthropologen Claude Lévi-Strauss aus dem Jahr 1962. Er beschreibt darin die Methode der «Bricolage» («Bastelei»). Dies ist ein improvisiertes Vorgehen, bei welchem man weniger die Dinge selbst in den Fokus nimmt, als viel stärker auf die Zusammenhänge und Assoziationen zwischen Objekten, Bildern und Ton achtet. Titel wie auch Themengegenstand der Bricolage nahm die Künstlerin Noha Mokhtar zum Anlass ihrer vierteiligen, kollektiven Installation.

In die Nische des Raums eingelassen spannt sich ein weiss bemalter Bambusvorhang vor eine tiefblaue Wand. Sogleich werden stereotype Assoziationen geweckt: wir denken an Urlaube in südlichen Gefilden oder aber konträr an typische Sichtschutz-Wände auf dem Balkon von Frau und Herrn Schweizer. Darauf projiziert spielt sich im Loop eine Sequenz von Schwarz-Weiss-Bildern ab: Palmen, mächtige Segelschiffe, entzückte Touristen und Schlagsätze wie «how far is the far east» setzen sich in unserem Kopf zu einer individuell rezipierten Bildergeschichte zusammen. Noha Mokhtar hat in Zusammenarbeit mit Gregor Huber die Zeitungsarchive von Le Monde und New York Times im Zeitraum von 1962 bis in die Gegenwart durchforstet. Bei ihrer Suche konzentrierten sie sich auf die Sparten Internationale Politik, Reisen und Tourismus. Die Sehnsucht nach dem Fernen, nach dem Exotischen bildet den roten Faden der Slideshow und führt dazu, dass wir als Betrachter/-innen ganz im Sinne der Bricolage – losgelöst von den Zeitsprüngen und den wahren Bildkontexten – Zusammenhänge und Erzählstränge auszumachen glauben.

An einer weiteren Wand des Raums wird ein Ferienfilm gezeigt. Dieser wurde von Kaspar Huber während eines Ferienaufenthalts in Kenia im Jahr 1977 gedreht. Die Szenerien wirken als Zeitdokument und geben Einblick in verschiedene touristische Unterhaltungsarchitekturen. Die Kameraführung offenbart ein Gespür für architektonisch interessante Blickwinkel und subtile, wie pointierte Szenen. Die dritte Ebene der Rauminstallation bildet eine aus drei Quellen erklingende Soundarbeit, die von den Musikern Fresco/Soult eigens für diese Arbeit konzipiert wurde. Aus der ersten Box erklingt ein Mix aus rund vierzig Vinylplatten, welche das Duo nach ästhetischen Kriterien der Umschläge zusammengesucht hatte. Die zweite Box lässt Synthesizer-Aufnahmen ertönen. Die dritte Quelle verströmt gleichsam wohlklingende, wie auch einschneidende und aufreibende Geräusche, welche die beiden Musiker in nahegelegenen urbanen Räumen, wie auch auf Reisen aufgenommen haben. Die unterschiedlichen Loops bilden ein sich veränderndes Klangspiel, welches der Slideshow einen Teppich unterlegt, der die Bilder für die Betrachtenden um eine weitere Wahrnehmungseben ergänzt.

Im Zusammenspiel der verschiedenen Arbeiten entsteht ein künstlerisch vielschichtiges Mosaik, das den für die Künstlerin entscheidenden Kern der Bricolage treffend veranschaulicht. Die kreative Form, gesellschaftliche und historische Themen in Bildern sichtbar und erfahrbar zu machen, passt zur forschend-assoziativen Arbeitsweise von Noha Mokhtar. Damit verweist sie auf das Privileg der Künstlerin, sich nicht an wissenschaftlich vorgegebene Erwartungen von Chronologie und Vollständigkeit halten zu müssen, sondern die Betrachtenden über die Ebene von Bild und Klang emotional und vielspurig zu erreichen und sie damit zu weiterführenden Recherchen, Gedankenspielen und kreativen Auseinandersetzungen mit den Thema anzuregen.

Inspiriert können wir uns nach dem Genuss des dichten Referenzwerks in den Garten begeben und den Ausstellungbesuch bei der Rasenmäher-Intervention von Noah Mokthar und Lucas Uhlmann, dem vierten Teil der Installation, ausklingen lassen.

Julia Schallberger