Minnig Valentina

2. März bis 6. April 2019

Valentina Minnig____plastic, it’s fantastic

Valentina Minnig hat den Boden ihrer Ausstellung gänzlich mit weissem Parkettunterleger überklebt. Damit hat sie das Feld ihrer Arbeit abgesteckt, aber auch den bewussten Entscheid getroffen, eine Ästhetik des Unfertigen zu erzeugen. Doch entgegen dieses Anscheins wird hier nicht gemalt und auch kein Parkett verlegt. In einer für sie typischen Manier hat sie das Übliche zum Unüblichen verkehrt: die Blache, welche den Parkettboden vor Feuchtigkeit und Wärme schützen soll, hat als Auflage ihre Funktion verloren. Stattdessen hat sie die Aufgabe des Holzbodens übernommen und fungiert nun als tragende und verbindende Basis. An die Wand gelehnte Dachlatten verstärken das Moment des Zusammenfassens. Beim Beschreiten des Raums hinterlasse ich unweigerlich meine Fussabdrücke auf der Unterlage und schreibe mich damit ins Kunstwerk ein – genauso wie es Gamba, die Hündin der Künstlerin tut. Bei jeder Ausstellungseröffnung zugegen, bewegt sich das Tier als elegante Performerin durch die Installation. Kurzweilig schweife ich ab und denke über Renaissance-Gemälde nach, in denen sich adlige Herren und Jäger mit hochbeinigen Hunden malen liessen.

Dahingegen ist die Installation von Valentina Minnig weit entfernt von einer tradiert figurativen Kunst. Zwar bilden reale Gegenstände die Grundlage der Arbeit – durch ungewöhnliche Objektverzahnungen hat sich ihre Bedeutung jedoch verschoben. Die gewählten Materialien wirken sperrig, wobei die Assemblage als Ganzes viel Freiraum für Assoziationen lässt. So frage ich mich, was wohl die aufgespiessten Lauchstangen auf dem Gittertor zu bedeuten haben. Die Künstlerin klärt mich schmunzelnd auf, indem sie mir die Initialgeschichte des Werks verrät: Kürzlich habe sie einen Gartenzaun entdeckt, der mit Karotten und Peperonis gespickt gewesen sei. Verwundert habe sie die Gartenbesitzerin nach dem Sinn gefragt. Das Gemüse sei für die Vögel bestimmt, habe diese leichthin geantwortet. Diese absurde Geste hat die Künstlerin dazu bewegt, über ähnliche Phänomene nachzudenken. Was ist z.B. mit all den Essensresten, die man an Strassenrändern und in Parkanlagen findet? Mochte es stimmen, dass Leute sich vorgaukeln, nachts würden hungrige Tiere auf der Suche nach Gourmethappen durch die Wohnquartiere streifen? Wenn ja, frage ich mich, wie wir diese Surrealität bezeichnen wollen: vielleicht “Foodwaste mit Garantie auf ein gutes Gewissen”? Valentina Minnig führte das Gedankenspiel jedenfalls zur Frage weiter, was denn die Vögel im Umkehrschluss für die Menschen an die Zäune hängen könnten. Vielleicht filigrane Kabel und Drähte? Diese jedenfalls schmücken ein weiteres Zaunobjekt. Einmal mehr wird hier die Realität auf den Kopf gestellt: Nicht in der Höhe, sondern am Fusse des Gitters breiten sich 60 kg Vogelfutter aus und bilden eine Art Sockel.

Über Bluetooth-Sender wird das Gartengeräusch live in den Ausstellungsraum hineingetragen. Meine Aufmerksamkeit wird dadurch nach draussen gelenkt. Vor dem Fenster windet sich ein verdorrter Ast eines Kiwibaumes in einem Rankgitter. Valentina Minnig hat das Objekt vor Ort gefunden und unverändert in den Schlitz einer Bank gesteckt. Ganz im Sinne von Marcel Duchamps “ready made”-Begriff wurde somit ein objet trouvé zum Kunstwerk erhoben. Das Weiterverarbeiten von Gefundenem wie Altholz, Eisen, oder dem von der Künstlerin unter leisem Schuldzugeständnis besungenen Plastik (im Ausstellungstitel mit einem 90er-Jahre Musiktitel aufgegriffen) zeichnen das Schaffen von Valentina Minnig aus. Gekoppelt mit einem Spürsinn für Alltagsgeschichten entstehen Arbeiten, die auf den Ort reagieren und menschliche, zuweilen absurde Gepflogenheiten im Umgang mit Tier- und Umwelt aufgreifen, verdrehen und weiterspinnen.

Julia Schallberger