Ganz Iris

21. Mai bis 2. Juli 2016
Iris Ganz___Barke

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Im Gras vor dem Kunstpavillon ruht – gross, still, selbstverständlich – eine Barke aus Tannenholz. Wie ist sie hergekommen? Wer hat sie stranden lassen? Und vor allem: wann und wozu? Müssten wir wissen, dass die Künstlerin ihr archaisches Wasserfahrzeug im Juli vor zwei Jahren über Wiesen und Felsen die Hänge hochziehen liess, um sie per Hubschrauber in einem Innerschweizer Bergsee abzusetzen? Müsste man wissen, dass dieses Boot im selben Jahr den Auftakt bildete zur Jahresausstellung in der Basler Kunsthalle? – Aus Installation wird Material, folgt Anleitung und Happening, wird Bild: Die Dinge verwandeln sich, wo Iris Ganz in unermüdlichem Handlungswillen die Materie wie sich selbst in Bewegung hält. Wo sie testet, was Präsenz sei und wie Umgebung sich einmischt ins eindringliche Zeichen eines unbemannten Boots ohne Ruder und Mast. Iris inszeniert, provoziert, schürt und zähmt den Wandel, hält ihn fest und lässt ihn wieder fahren.

Akt mit Barke stellt den Aggregatzustand und die Verfallszeit von Bildern und Handlungen aus. Gegenstände, Materialien, Dokumentationen und ihrer Kombination lassen eine ungesicherte Fiktion gerinnen. Sie stiften den Fortlauf einer Erzählung, die irgendwann – vielleicht in der Malerei, vielleicht im alten Ägypten, bei den Vikingern oder im digitalen Jenseits – ihren Anfang nahm. Intuitiv greift die Künstlerin zurück: auf die schwindelerregenden Brückenbilder des Gebirgsmalers Caspar Wolf; auf Objekte, die von Kratzern des felsigen Berghangs gezeichnet sind; auf Zeugen von Schwerkraft und ihrer Überwindung.
„Es ist eine so schöne Metapher“, sagt Iris Ganz, „aber ich weiss nicht, wofür!“ Die Künstlerin nimmt den Satz, mit dem sie den Filmemacher Werner Herzog zitiert, für sich und die Barke in Anspruch. Lustvoll packt sie zu, umkreist das Bild nochmals, ringt ihm neue Pointen ab. Ohne Ton erscheint das Boot fast halluzinatorisch gespiegelt auf zwei Flachbildschirmen. Reflektierende Augäpfel mimen am Boden einen Feldstecher. Kann er das wunderlich schwebende Kunstobjekt im blauen Bergsee heranzoomen? Als wollte es Luftseilbahn werden, kreuzt ein Tau den Ausstellungsraum. Es läuft in weiche Griffe aus, es umwindet einen Stein, es lässt einen Schiffsmotor baumeln in der Luft. Das Seil nimmt Kontakt auf zur Linie, die den kräftigen Männern im Wandbild den Weg nach oben weist. Die Bootsträger, die im Juli 2014 das Schiff den Berghang hoch gezogen haben, stehen jetzt auch für andere Bilder, könnten in Seenot geratene Ruderer sein, Fischer, Lebensretter oder Sportler – ein Kollektiv jedenfalls, das nur das Boot, eine sichtbar unsichtbare Klammer, für uns zusammenhält. (Text von Isabel Zürcher)