Wieser Katharina Anna

8. September bis 8. Oktober 2016
Katharina Anna Wieser___System

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Als ich am Mittwoch vor der Eröffnung mit Katharina Anna Wieser eines der Objekte umkreiste, kroch eine kleine Spinne an der nach rechts abfallenden Flanke hoch. Sie liess diese innert Sekundenbruchteilen zur riesigen Scholle anwachsen. Jetzt war’s ein Berg, der sich nur über lange Wege, in Rücksicht auf Unebenheiten und Brüche, im Verlust der Übersicht ganz erwandern lässt. Die Spinne machte an der vorderen Kante Halt, als stünde sie auf einer Bühne und wir wären Publikum. Sie hatte kurze Beine und einen länglichen, etwas schuppigen, braunen Rumpf. Ich mochte sie, vielleicht zum ersten Mal, für ihren grossartigen Hinweis auf die Relativität von Dimensionen.

Katharina Anna Wieser geht von einer unbedingten Ökonomie der Mittel aus. Das hat sie schon mehrfach erprobt. Mit immer ortspezifischen Handlungen und Gesten lädt sie zur neuen Lektüre bestehender Räume ein. Ihre Begleiter: Das Einfache, das Angemessene, der Verzicht auf Geheimnisse; die Anlehnung, die Bezugnahme, das Körpermass. Weil ihr Schaffen gelegentlich im Kreis, im Dreieck oder im Schwarzweiss-Kontrast ankommt, gibt es manchmal eine formale Nähe zur Konkreten Kunst. Aber während die Konkreten alle Fasern des Gegenständlichen aus ihrer Bildwelt bannten, um eine reine Wahrnehmung herauszufordern, bleibt Katharinas Installation bewusst im Tatsächlichen hängen.

Da ist Spanplatte, da sind Schrauben, da erzählt eine Schieflage von Last und Spannung. Ungeschönte Kanten, zufällige Gebrauchsspuren spielen uns flächendeckend Hinwiese zu auf rezykliertes Material. Katharina Anna Wieser hat ausgediente Stellwände, die im o.T. lagerten, zur Basis ihres Handelns gemacht. Sie spielt mit dem mobilen Gedächtnis dieses Orts, der immer wieder Neues aufgenommen, zur Schau gestellt und entlassen hat. Jetzt hat die permanente Anpassung ihren eigenen Auftritt.

Wann funktioniert ein Objekt? Vielleicht, wenn es sich beim Vokabular von Architektur bedient, aber statisch den Dachstuhl unterwandert? Wenn es ein Segel assoziieren lässt, aber im windstillen Raum verharrt? Wenn es als Zelt taugen könnte, ohne wirklich Unterschlupf zu bieten? Wenn das Reale Modell bleibt für etwas Drittes?

Während sie den Raum einnehmen, uns zum Vergleich aufbieten, das Licht spielen lassen auf ihrer weiss getünchten Selbstverständlichkeit, proben die beiden Objekte den Zustand des Temporären. Darum ist „System“ vielleicht gar nicht als Ausstellung zu lesen, sondern als das Auftauchen der zweifachen Ausführung eines Modells. Das Verschwinden dieses Modells ist absehbar. Aber die Erinnerung des o.T. an seine eigene DNA – das Provisorium – ist intensiver geworden, hat ihr eigenes Bild. (Text: Isabel Zürcher)