Alaçam Selma

9. November bis 14. Dezember 2013
Alaçam Selma___good intentions and lost opportunities

 

Die 1980 in Mannheim geborene und heute in Karlsruhe lebende Künstlerin Selma Alaçam folgt in ihrer künstlerischen Arbeit den persönlichen Spuren ihrer eigenen deutsch-türkischen Biographie und den daraus resultierenden psychologischen Erfahrungen und gesellschaftlichen Beobachtungen. Dabei entwickelt sie einen präzisen analytischen Blick für die feinen Schattierungen von kulturellen, sozialen und religiösen Themen zwischen westlicher und islamischer Welt- und Wertevorstellungen. Nicht nur inhaltlich, auch formal gelingt es der Künstlerin, westliche und östliche bzw. islamische Bildformen sinnstiftend miteinander zu verschmelzen.

In Selma Alaçams „heartstrings“, 2013, berühren sich zwei verschiedene Arten von Oberflächenstrukturen, die trotz der textilen Verflechtung nicht eins werden. Der verwendete Teppich (Kelim) entstammt einer vorislamischen Tradition. Die Weberin hatte hier die seltene Gelegenheit, ihren eigenen Gefühlen in der spezifischen Musterung Ausdruck zu verleihen. Selma Alaçam stickt nun auf quadratische Fragmente dieser Teppiche verschiedene Zitate aus der Popkultur. In derartigen lyrischen Statements klingt der Selbstbezug des westlichen Individuums an, der sich von der zaghaften emotionalen Äußerung der Weberin im jeweils besonderen Muster unterscheidet. Erst wenn die Worte ihre metaphorische Wirkung zu entfalten beginnen, treten Schrift und Muster im „Bild“ in ein tatsächliches Verhältnis: das einer gegenseitigen Befremdung und Überforderung.

In der Videoarbeit „Different Conditioning“, 2011, stempelt sich die Künstlerin den deutschen Bundesadler ins Gesicht bis es ganz schwarz ist, bis sie “zur Unkenntlichkeit identifizierbar” geworden ist. Selma Alaçam selbst halb Türkin und halb Deutsche spricht in ihren Arbeiten universelle Probleme an, die mit Begriffen wie Identität, Zugehörigkeit und Interkulturalität verbunden sind. Sie entwickelt künstlerische Strategien, die es ihr ermöglichen, viele jener Fragestellungen aufzugreifen, die im öffentlichen europäischen Diskurs verdrängt werden.

Die Bilder der Diaprojektion „in between“, 2010-2013, haben ihren Ursprung im Fotofundus der Familie der Künstlerin. Aus der Überlagerung zweier Dias, die unterschiedliche Orte und Zeiträume zeigen, entsteht ein neuer utopischer Ort, eine surreal anmutende Welt. „Es geht um dieses Dritte, den Raum dazwischen. Tatsächlich, der Zwischenraum gewinnt an Boden und erlaubt ganz neue, hybride Identitätskonstruktionen, die solche Gegensätze und Unterscheidungen verschwinden lassen, ohne sie auszublenden.“(Jakob Racek)

A kiss is (not) just a kiss“, 2011, zeigt eine kurze Sequenz aus dem Hochzeitsvideo der Eltern von Selma Alaçam. Vor laufender Kamera versucht die frisch getraute Braut ihren Ehemann zu küssen, dieser wehrt sich jedoch aufgrund kultureller Konventionen heftig dagegen – es kommt zu einem spielerischen Handgemenge bis die junge Braut enttäuscht aufgibt. Durch die endlose Wiederholung dieser geloopten Videosequenz muss die Braut diese Enttäuschung immer und immer wieder durchleben.

Ausgangspunkt der Videoarbeit „Educational Shaping“, 2011, ist das Hochzeitsvideo der Eltern, das zu einer Abfolge von bunten Mustern transformiert über einen Spiegel indirekt auf das Gesicht der Künstlerin projiziert ist. Durch das Spiel von Farben und Formen der Lichtprojektion wird die Identität der Künstlerin zum Teil stark verfremdet.

www.selma-alacam.de