Pooch Jessica

8. September bis 8. Oktober 2016
Jessica Pooch___Rite of Passage

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Wer sich ein Piercing durch Lippen, Zunge oder Nasenwand treibt, fordert eine Verletzung heraus. Darum ist Piercing Beleg einer Mutprobe und gibt den Anschein, sein Träger, seine Trägerin sei von aussen unangreifbar. Umso mehr, wenn ein Stab beidseitig in spitze Kegel mündet – da oszilliert der Schmuck mit der Waffe, verteidigt mit scharfen Kanten und hartem Glanz das Weiche von Haut und Körper. Es steckt ein Aufbegehren drin, eine Drohgebärde vielleicht, die dem Schmuck etwas Anrüchiges mitgibt. Und wenn uns o.T. mit einem mächtigen Klemmring empfängt, dann testet die sonst eher schüchterne Architektur eine Auflehnung – gegen sich? Gegen uns? -, fährt einen Stachel aus gegen das Zahme von Kunst, fragt nach Spuren moralischer Vorbehalte in ihrer Rezeption und Deutung. Sie ruft aber auch Handläufe in Erinnerung, Handtuchhalter und Armaturen, die ebenso in Chromstahl glänzen und mehr noch als „Labret“ oder „Flesh Tunnel“ zum Haus gehören mitsamt seiner unbefleckten Funktionalität.

Mit der Inszenierung dieser unangefochtenen Sauberkeit, einer klinischen Härte, bahnt uns Jessica Pooch einen dichten Weg von Assoziationen. Sie springen alle gleichzeitig auf und kommen ausnahmslos bei unserem Körper an. Die Erinnerung an den hellen Knall ist da, der mein eigenes, pubertäres Ringen um Selbstbestimmung mit dem Durchschuss beider Ohrläppchen besiegelte. Hantel und Hygiene kreisen um die widerständige Haptik, ein Werkzeugsatz des Voyeurismus, der erotische Spiele und heimliches Foltern umspielt. Und während die überdimensionierten Piercings die Frage stellen, mit welchen Accessoires wir unseren Leib, aber auch unsere Behausungen ausstatten, wie wir Schutz und Potenz zusammenbringen, exponiert sich der o.T. als Provisorium: Seine Wände sind weniger haltbar als das polierte Metall, und der Blick ins Nebenzimmer entlarvt die Faltbarkeit des Raums, den starke Zeichen diesseits der Wand zusammenhalten.

Würde die kleine Spinne über eines von Jessica Poochs Piercings kriechen, würde sie mir, ebenso unüberlegt wie sekundenschnell, wahrscheinlich unheimlich erscheinen. Ein kleiner Dämon, dessen zitternder Gang das Unantastbare des Metalls noch verschärft.

(Text: Isabel Zürcher)