Blatter Samuli

12. März bis 30. April 2016
Samuli Blatter___Terraform

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Hinter der Glastür am Eingang hängt schwarz auf weiss der kleine Schädel eines nie gesehenen Tiers. Sein matt schimmernder Kiefer überspringt die Augenhöhlen in unregelmässigen Einbuchtungen direkt zur Stirn. Am diagonal verzerrten Kopf wölbt sich der Ansatz trotziger Hörner. Keiner Erwartung gewachsen, scheint diese Maske ursächlich den Spuren verbunden, die – wieder dunkel und amorph – auf Papieren an der Wand des grössten Raums aufsteigen und abstürzen. Hingesudelt sind sie, Reste ungezählter, scheinbar beiläufiger Fingerläufe – und sorgfältig umrissen zugleich, mit Nachdruck schraffiert: Ergebnisse einer Verwandlung, die den Zufall in kaligrafischen Eigensinn überführt.

Können Versuche Sinn freilegen? Wann hören wir zu lesen auf? Wie weit sind wir entfernt vom Mars? Und wenn wir das Neuland einnähmen, welches Leben hätte Platz in der Ödnis, die das Eisendioxyd in so ockerig warmes Licht taucht? Samuli Blatter hat Bienenwachs mit Graphit getränkt und die erhitzte Masse über den Kern seines Kunststerns träufeln lassen. Dabei entstand Mehreres in einem: ein unheimlicher, nach allen Seiten ausgreifender Körper, der je nach unserem Standort vor dem Fensterkreuz oder dem Wandbild zur schwarzen Sonne gerinnt. Eine optische Täuschung, die den Horizont zu beiden Seiten kaum merklich sinken lässt. Eine Raumzeichnung, die Kontakt aufnimmt mit den Flächen, die übers Papier eilen, als müssten sie für den Urknall der Kunst erst noch zusammenfinden.
Bei Samuli Blatter ist eine haargenaue Ungenauigkeit am Werk. Der Künstler meidet das Eindeutige. Er schürft in der Zeichnung nach dem Unleserlichen und birgt mit seinem Griff in weiches Wachs Fundstücke, wie sie einer geologischen Sammlung entliehen sein könnten. In seinem Atelier sucht Materie die ihr angemessene Form. Darum ist „Terraform“ ein schöner Titel. Wörtlich die “(Um-)Bildung zur (Ersatz-)Erde”, meint Terraforming “die Umformung von anderen Planeten in bewohnbare erdähnliche Himmelskörper”, klärt mich Wikipedia auf. Vielleicht ist ja der Handgriff die Technik der Zukunft, die das möglich macht? (Text von Isabel Zürcher)